Die Freie Bürgergemeinschaft Birstein (FBG) bezieht Stellung zu einem nicht unumstrittenen Verfahren.
In unserer Gemeinde sorgt derzeit ein geplantes Bauprojekt für Diskussionen. Um es gleich vorweg zu nehmen. Die politische Gemeinde unterstützt das Vorhaben, in Birstein ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu etablieren.
Die ärztliche Versorgung in der Gemeinde Birstein ist seit Jahren Thema. Mit der Planung eines Investors, auf einem Gelände in der Steinauer Straße ein Gebäude mit Arztpraxis und gesundheitsnahen Dienstleistungen zu errichten, nahmen diese Planungen einen Anfang.
Das ursprüngliche Bauprojekt wurde jedoch verändert und ohne eine solche Arztpraxis umgesetzt.
Dass an der ursprünglichen Idee weiter festgehalten wurde, war nur einem engen Personenkreis um Bürgermeister Fehl, dem Investor und potentiellen Kandidaten für einen Praxisbetrieb bekannt.
Das ändert sich erst am 19.05.2025 mit der Einladung der Fraktionsvorsitzenden durch Bürgermeister Fehl. Hier wird das Projekt erstmals in einer erweiterten Runde bekannt, mit dem Ziel, die Information in die Fraktionen zu bringen.
Wie bei anderen Projekten gab es jetzt auch hier einen erheblichen Zeitdruck, in der Gemeindevertretersitzung am 03.07.2025 entschieden haben zu müssen, um den Zeitplan für eine Eröffnung Ende 2026 nicht zu gefährden. Soweit so gut, alles wie immer.
Wirklich interessant wird die Angelegenheit aber erst dann, wie die Gemeinde Ankermieter der Praxisräume für die Dauer von 20 Jahren werden muss, damit das Projekt insgesamt für den Investor umsetzbar wird.
Eine weitere Steigerung der Thematik sind die Bedingungen des ärztlichen Betreibers, zu denen ein zukünftiger Praxisbetrieb zustande kommen kann.
Die hierbei vorgetragenen vertraglichen Grundbedingungen sowohl des Investors als auch des zukünftigen Betreibers habe ich für die FBG am 19.05. mehrfach hinterfragt, ich habe nachgehakt und die entscheidenden Kriterien herausgearbeitet.
Jetzt ergeben sich für das Vorhaben rechtliche wie ethische Fragen, da die Gemeinde gegenüber dem Investor finanzielle Verpflichtungen übernimmt um das Projekt umsetzbar zu machen.
Kritische Stimmen, soweit sich überhaupt jemand in den Ausschüssen oder der Gemeindevertretersitzung am 03.07.2025 zu Wort gemeldet hat, wurden damit abgetan, dass die Ansiedlung eines MVZ schon lange geplant sei. Der Standort dafür schon lange klar sei und der Kontakt zum Betreiber schon lange bestehe. Kurzum, eigentlich kann es überhaupt keinen Diskussionsbedarf geben, weil jetzt „eine mögliche Tür“ für ein MVZ – Projekt aufgegangen ist.
Bereits in dieser Sitzung haben wir als FBG darauf hingewiesen, dass dieser künftige Vertrag mit dem Investor durch die Gemeindevertretung zu genehmigen ist. Darauf war Bürgermeister Fehl offensichtlich nicht vorbereitet.
Dabei ist die Lage für uns als FBG eindeutig. Nach § 77 Abs. 1 Satz 2 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) ist klar geregelt: Verträge zwischen der Gemeinde und einem Gemeindevertreter – gleich welcher Art – bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung durch die Gemeindevertretung. Die im Gesetz geregelten Ausnahmen treffen auf dieses Projekt eindeutig nicht zu.
Der Abschluss eines Mietvertrages zwischen Gemeinde und Gemeindevertreter mit einer vertraglichen Verpflichtung über eine halbe Million Euro ist ein nicht unbedeutendes Rechtsgeschäft mit erheblicher Tragweite für die Gemeinde. Eine Entscheidung allein durch den Gemeindevorstand – wie zunächst diskutiert – ist deshalb nicht rechtskonform. Zumal die Verbindlichkeit erst in einer zukünftigen vertraglichen Gestaltung genauer beziffert werden kann. Deshalb entfaltet ein solcher Vertrag bis zur Genehmigung durch die Gemeindevertretung keine Wirkung.
Aber auch ethisch ist die Sachlage jetzt anders. In der Vergangenheit war die Gemeinde an der Seite des Investors, um eine Umsetzung der Planungen des Investors zu unterstützen.
Durch die finanzielle Verflechtung mit der Übernahme des Risikos durch die Gemeinde offenbart sich ein persönlicher Vorteil des Investors, der anderen potentiellen Anbietern von Räumlichkeiten unseres Erachtens nicht zuteil geworden ist und wird.
Sämtliche Planungen seit dem 19.05. zielten weiter darauf ab, das Projekt in der bestehenden Konstellation durchzuziehen.
Richtigerweise hätte der Gemeindevorstand mit dem Bürgermeister an seiner Spitze prüfen müssen, ob es weitere Möglichkeiten zur Bereitstellung oder Schaffung von Räumen gibt, was wohl in eine öffentliche Ausschreibung gemündet wäre.
Falls Alternativen nicht mit einem geringeren Risiko für die Gemeinde möglich gewesen wäre, hätte es durchaus zum hier eingeschlagenen Vorgehen kommen können.
Aus der ursprünglich von Zeitnot getriebenen Angelegenheit ist nun seit 4 Wochen nichts mehr zu hören.
Es zeigt sich einmal mehr, dass für die Entscheidungen des Parlamentes einwandfreie Beschlussvorlagen notwendig sind, gerade wenn von Seiten der Verantwortlichen zeitlicher Druck aufgebaut wird. Daran hat es hier jedenfalls deutlich gemangelt.
Es geht in dieser Sache nicht um Recht haben, sondern um Vertrauen.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen sicher sein können, dass Entscheidungen im Rathaus dem Gemeinwohl dienen und nicht den Interessen Einzelner.
Das geplante MVZ ist zweifellos ein wichtiges Projekt für die medizinische Versorgung in Birstein. Doch gerade weil es um viel geht – finanziell, politisch und gesellschaftlich – ist ein transparentes, rechtlich einwandfreies und ethisch sauberes Vorgehen unerlässlich.
Die Gemeindevertretung ist nun in ihrer nächsten Sitzung gefordert, mit Augenmaß und Verantwortung zu entscheiden.